Erwin Roth für die Installation "Vaterland"
Die Installation „Vaterland“ von Erwin Roth, bestehend aus Stahl, Blei, bedruckten und beschrifteten Karten,
Milchflaschen und Honiggläsern, wirkt auf den ersten Blick wie eine akkurate, ornamentale Sichtblende.
Dem aufragenden, annähernd quadratischen aus Flacheisen geschweißtem Raster der Installation sind vergleichbar einem Altar, Milchflaschen und Honiggläser in regelmäßigen Abständen auf beiden Seiten
vorgestellt und mit Bleiplatten unterlegt.
Bei näherer Betrachtung stellen sich die in die 441 Fächer des Regals akkurat eingelegten Kartons als Karteikarten
heraus, sogenannte Suchkarten, auf denen handschriftlich Eintragungen über vermisste Personen vermerkt sind.
Den Vermissten bringt Erwin Roth sinnbildlich Milch und Honig dar und spendet Bleiplatten als Schutz vor den Unbilden des Krieges.
Ohne nähere Informationen über Herkunft oder Ursprung, der in der Installation verwendeten Materialien
zu haben wird der Betrachter angeregt, Zusammenhänge herzustellen. Die Daten auf den Karteikarten verweisen auf
den zweiten Weltkrieg. Tote und Vermisste, Leid und Elend, Flucht und Vertreibung als Folgen des Krieges erscheinen vor dem geistigen Auge. Der Blick des Betrachters richtet sich aber nicht nur zurück in die Vergangenheit, sondern auch in die Gegenwart der kriegerischen Auseinandersetzungen und erinnert uns, mit welchen Folgen zu rechnen ist.
Für seine stille und tiefgründige Installation „Vaterland“ wird Erwin Roth einstimmig von der Jury der Kunstpreis der Stadt Augsburg zugesprochen.
Norbert Kiening